Kniefall der Uni-Professoren vor den Konzernen
Ein Gremium hochrangiger Vertreter der pharmazeutischen Forschung hat Cannabis zur Arzneipflanze des Jahres 2018 gekürt und attestiert ihr gleichzeitig Wertlosigkeit und Gefährlichkeit als Arzneipflanze. Die Absurdität dieses Werbeschachzugs, voll irreführender Unvollständigkeit und falschen Tatsachen, belegt die wachsende Verzweiflung in der klinisch-pharmazeutischen Branche, in der zu viele den phytopharmakologischen Umbruch der letzten Jahrzehnte völlig verschlafen haben.
Für den Laien liest es sich auf den ersten Blick seriös, wenn nicht erfreulich: Eine seit 2006 amtierende Expertengruppe aus Uni-Professoren und Forschern, die sich selbst Herbal Medicinal Products Platform Austria (HMPPA) nennt, hat soeben die Pflanze Cannabis sativa zu Österreichs Arzneipflanze des Jahres 2018 gewählt. Aber Jubel ist tatsächlich unangebracht. Es handelt sich um einen plumpen PR-Schachzug der Pharmazie, um Cannabis als eines der Aushängeschilder für die neu erstarkende Phytopharmakologie – die Lehre und Wissenschaft von der Therapie und Heilung mit ganzen Pflanzen und Pflanzenteilen – zu diskreditieren und gleichzeitig die Ausbeutung von Cannabis zur gewinnorientierten Herstellung von wirkstoffhaltigen Präparaten möglichst ganz auf die eigene Seite zu ziehen. Monetäre Interessen stehen dahinter, sonst nichts.
Unlautere Mittel und Falschaussagen
Das wäre nicht grundsätzlich zu verurteilen, im Kapitalismus haben wir alle das Recht zu solchen Schritten. Die HMPPA bedient sich dabei allerdings einiger äußerst unlauterer Mittel. In ihrer betreffenden Presseaussendung (siehe nachstehende Links-Liste) behauptet die HMPPA etwa:
„Die Zusammensetzung des Inhaltsstoffspektrums in der Cannabis-Pflanze unterliegt großen Schwankungen, daher ist auch die Qualität der Droge hoch variabel. Aus diesen Gründen ist für medizinische Zwecke Zubereitungen der Reinsubstanzen der Vorzug zu geben, weil nur damit eine genaue Dosierung und eine rationale Arzneimitteltherapie möglich ist.“
Diese Aussage ist in mehrerlei Hinsicht vollkommen unrichtig.
Es ist heute uneingeschränkt möglich, aus Pflanzen Extrakte herzustellen und deren Wirkstoffgehalt exakt festzustellen. Wird konsequent mit gleichbleibender Pflanzengenetik und stabilen Umweltbedingungen gearbeitet wie etwa bei der modernen Glashaus- oder Indoor-Zucht, liefert die Pflanze stets ein konstantes Wirkstoffspektrum mit minimaler Schwankungsbreite. Tatsächlich ist es ohne weiteres möglich, eine Cannabispflanze ausblühen zu lassen, zu ernten und dann wieder in die vegetative Phase zu schicken, um sie später erneut zum Blühen zu bringen und zu ernten. Auf diese Weise wird z. B. die an sich einjährige Cannabis-Pflanze quasi „unsterblich“ gemacht und kann jahrelang immer wieder exakt denselben Wirkstoffgehalt und Ertrag liefern. Das ist aber eben das Problem der Pharmazeuten: Sie haben zu wenig Ahnung von Botanik und Gärtnerei. Sie können Pflanzen mit Chemikalien solange zersetzen, bis nur noch eine Sorte Inhaltsstoff übrig ist, alles andere ist ihnen fremd. Dass die Cannabispflanze und ihre Teile nicht zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden können, weil ihr Wirkstoffgehalt so stark schwankt, bleibt aber dennoch eine Falschaussage. Unwissenheit schützt nicht vor Strafe – zum Glück kann Cannabis keine Klage einreichen.
Kein Wort erwähnt den Cannabis-Entourage-Effekt
Weiters ist die Behauptung, dass „Zubereitungen aus Reinsubstanzen“ der Cannabispflanze der Vorzug in der medizinischen Therapeutik zu geben sind, vollkommener Nonsens, wenn nicht sogar gefährlich. Das Gegenteil ist der Fall: Selbstverständlich ist den Phytopharmaka, also medizinischen Zubereitungen aus Pflanzen und Pflanzenteilen, absolut der Vorzug zu geben, gerade im Fall von Cannabis: Die enorme Wirkstoffbreite dieser Heilpflanze – wie auch aller anderen – hat einen „Entourage-Effekt“ zur Folge, den sich auch immer mehr PatientInnen zu Gute kommen lassen, indem sie zusätzlich zu ihren Cannabis-Reinsubstanz-Präparaten wie z. B. Dronabinol (reines THC) oder Sativex (Mischung aus reinem THC und reinem CBD) ein Vollspektrum-Extrakt aus Industriehanf – sogenannte CBD-Naturextrakt-Tropfen – einnehmen, weil der ganze Präparate-Komplex dann einfach viel besser wirkt. Das gilt für Schmerzpatienten, hier sind der ARGE CANNA zahlreiche Fälle bekannt. Es gilt für schwere Formen kindlicher Epilepsie, auch hierfür liegen uns mehrere Fälle vor. Und es gilt vor allem für Menschen mit lebensbedrohenden Krankheiten wie Krebs, die weder Kosten noch angebliche, von der pharmazeutischen Industrie behauptete Risiken scheuen, um eine mögliche Überlebenschance zu nutzen. Besagter Entourage-Effekt ist der Wissenschaft mittlerweile auch bestens bekannt, siehe nachstehende Links-Liste. Warum die HMPPA ihn vollständig aus ihrer Pressemeldung ausklammert, wäre noch eine Antwort wert.
Sicherlich ist es nicht überraschend, dass eine Vereinigung von Uni-Professoren aus dem medizinisch-pharmazeutischen Bereich der Pharmazie nach dem Mund redet. Immerhin ist die heutige akademische Wissenschaft hochgradig abhängig von den profitorientierten Industrien, welche Forschungsgelder an die Universitäten fließen lassen. Die öffentliche Hand hat in dieser Hinsicht leider in den letzten Jahrzehnten vollkommen den Bezug und die Fasson verloren. Daraus ist ein ungutes System der tendenziösen Forschung nach erwünschten Ergebnissen entstanden, das in letzter Zeit auch immer häufiger in den Medien thematisiert wurde und wird. Aber wir wollen uns hier nicht in den Sumpf von Wissenschaftsfälschung und parteiischer Forschung versteigen. Wir haben Verständnis für die Ängste am Tropf der Industriemaschine hängender Menschen, die um ihre Lebensgrundlage bangen.
Universitätsprofessoren im Kniefall vor der Pharmaindustrie
Für die pharmazeutische Industrie und deren Gepflogenheiten sollte man aber weniger Verständnis aufbringen. Nicht, dass deren Reinsubstanzen grundsätzlich abzulehnen sind. Wenn damit nachweisliche Erfolge erlangt werden, spricht nichts dagegen. Leider sind diese nachweislichen Erfolge extrem rar, man betrachte nur die „Chemotherapie“ in der Onkologie – sie hat Erfolgsquoten im niedrigsten einstelligen Bereich, und der Erfolg wird in „gewonnenen Lebensjahren“ gemessen und nicht in Heilquoten. Die eigentliche Bedenklichkeit liegt aber woanders. Man muss sich stets vor Augen halten, wie solche Monosubstanzen hergestellt werden: In einem vollkommen denaturierenden Prozess wird das Pflanzenmaterial immer und immer wieder in immer neue, höchst aggressive Chemikalien eingeweicht, sogenannte Lösungsmittel, bis am Ende nur noch die kristalline, zu fast 100 Prozent reine Substanz übrigbleibt. Und daraus werden dann Tabletten gepresst oder Säfte angerührt. Dass jedes dieser Lösungsmittel in der Endsubstanz seine Spuren hinterlässt, betrachtet die Pharmazie als nicht weiter schlimm, weil ja die EU Höchstgrenzen für alle Lösungsmittel festgesetzt hat, und zwar in einem Bereich, der tatsächlich eingehalten werden KANN und deshalb auch eingehalten wird.
Ein phytopharmakologisches Produkt aus Cannabis, auch genannt Cannabisöl oder Cannabis-Naturextrakt, wird dagegen z. B. wie folgt hergestellt: Die getrocknete Pflanzensubstanz wird zerrieben und in purem Weingeist, d. h. in Äthylalkohol, also in zum menschlichen Verzehr geeigneten „Speise-Alkohol“ eingelegt. Das Gemisch wird nach kurzer mechanischer Durchrührung und -stampfung mechanisch gefiltert (z. B. durch Kaffeefilter aus Papier). Dann wird der Alkohol durch Wärmeeinwirkung verdampft. Übrig bleibt das phytopharmakologische Cannabis-Präparat. Grauen Zellen werden keine besonderen Verrenkungen abverlangt, damit sie erkennen, dass solche Präparate sehr kostengünstig hergestellt werden können. Aber auch wenn sie im Labor unter exakt kontrollierten Bedingungen mit anschließender Diagnostik hergestellt werden, kostet dies einen minimalen Bruchteil dessen, was z. B. die Herstellung von Sativex oder Dronabinol kostet.
Was ist gefährlicher: Reinsubstanz-Droge oder Pflanze?
HMMPA-Mitglied Univ.-Prof. DDr. Hans Georg Kress, EDPM, FFPMCAI(hon), Abt. für Spezielle Anästhesie und Schmerzmedizin, Medizinische Universität Wien/AKH Wien, behauptet am Schluss der betreffenden Presseaussendung folgendes:
„Daher ist eine seriöse Trennung zwischen Cannabinoiden als Medizin und Cannabis als Rauschmittel extrem wichtig (…) Es gibt keinen Patienten, der in Österreich illegal zur Cannabispflanze greifen muss, um die nachgewiesene Wirkung bestimmter Cannabinoide zu nutzen. Die Reinsubstanzen bieten den Vorteil, dass sie gezielt, in bedarfsgerecht exakter und damit reproduzierbarer Dosierung eingesetzt werden können.“
Diese Aussage bedeutet, dass dieser hochrangige Mediziner und Universitätsprofessor etwas Falsches impliziert, nämlich die Nicht-Reproduzierbarkeit von therapeutischen Erfolgen beim Einsatz von phytopharmakologischen Cannabispräparaten, auch bekannt als Hanf, Hanföl bzw. RSO oder gar unter dem verwerflichen rassistischen US-Begriff „Marijuana“. Er tätigt diese Falschaussage, um einer pharmazeutischen Produktkategorie Schützenhilfe zu erteilen, die mit fragwürdigen Methoden unter enormem Kostenaufwand von riesigen Industrien hergestellt wird, die keinen PR-Stunt scheuen, um ihren Profit zu maximieren, wonach sie dann wiederum das öffentliche Gesundheitssystem weit über jedes vertretbare Maß hinaus belasten. Diese Methoden sind allesamt Kinder des 20. Jahrhunderts. Aber das ist vorbei: Jetzt ist die Phytopharmakologie am Zug, und angstgetriebene PR-Rundumschläge wie die jüngste der HMPPA werden das 21. Jahrhundert nicht auf Dauer aufhalten können.
Abschließend möchten wir empfehlen, der Internet-Seite der HMPPA einen Besuch abzustatten. Da gibt es eine Unterseite, die „außerordentliche Mitglieder“ auflistet. Die Liste wird angeführt vom deutschen Pharmakonzern Bionorica, der schon seit Jahren aus staatlich produziertem österreichischen Cannabis das Medikament Dronabinol herstellt, welches er dann an Österreich zurückverkauft. Hier der Direktlink zur Liste: http://www.hmppa.at/ausserordentliche-mitglieder/
HMPPA – Cannabis ist Arzneipflanze des Jahres – Presseschau
https://www.pressetext.com/news/20180215021
https://derstandard.at/2000074337301/Cannabis-ist-die-Arzneipflanze-des-Jahres
http://www.kleinezeitung.at/service/newsticker/5372490/Cannabis-ist-Arzneipflanze-des-Jahres
http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/wissen/mensch/947459_Rausch-auf-Rezept.html
http://www.gaertner-und-florist.at/?id=2500%2C5563755%2C%2C
Der von der HMPPA übersehene Entourage Effekt:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3165946/
https://www.dinafem.org/de/blog/isoliertes-cbd-cannabinoiden/
https://edition.cnn.com/2014/03/11/health/gupta-marijuana-entourage/index.html
[…] negativ äußert sich der unabhängige Patientenverein Arge-Canna (siehe Artikel hier). Der Verein spricht von „einem Kniefall der Uni-Professoren vor den Konzernen“ und einem […]
Die WHO empfiehlt CBD – Cannabidiol nicht für medizinische Zwecke – das ist nun mal ein Faktum!
Siehe Beitrag: http://wipi.at/immoblog/cbd-nutzhanf
Die auf der Seite wipi.at/immoblog zusammengestellten Inhalte über CBD sind sehr interessant, aber es ist zur „Nicht-Empfehlung von CBD durch die WHO“ folgendes zu sagen: Die WHO ist genau wie die UN eine in ihren Agenden immer wieder höchst fragwürdige Organisation. Die Single Convention on Narcotic Drugs allein ist in ihrer Entstehungsgeschichte ein absolut bodenloses Beispiel an tendenziöser, nicht faktenbasierter Grundsatzfassung. CBD als Reinsubstanz nicht zu empfehlen steht zum Beispiel im Gegensatz zu der Tatsache, dass CBD-Reinsubstanz in Österreich in Einzelfällen, vor allem bei schwersten, therapieresistenten Formen kindlicher Epilepsie nicht nur verschrieben, sondern von den Krankenkassen bezahlt wird. Aus denselben Fällen wissen wir, dass Vollspektrum-Extrakte mit hohem CBD-Gehalt nochmal deutlich besser wirken als die Reinsubstanz. Dronabinol-PatientInnen erzielen mit eben diesen Vollspektrum-Extrakten das Ziel, die vollständige Wirkungsbreite und Inhaltsstoffpalette des Hanf zur Verfügung zu haben. Es ist also absolut kontraproduktiv und per se wiederum tendenziös, wenn Sie diese Aussage so, wie sie es hier oben stehend tun, einfach zu unkommentiert posten. Das ist unseriös und verbreitet bloß Unsicherheit unter den betroffenen PatientInnen, die sich Linderung erhoffen, und im Übrigen empfiehlt die WHO das CBD auch nur deshalb nicht, weil noch mehr noch zweifelsfreiere wissenschaftliche Ergebnisse zu dessen Anwendung benötigt werden, und nicht etwa deshalb, weil die WHO grundsätzlich den Nutzen von CBD anzweifelt. Ihr Vergleich zwischen CBD und Propolis ist dafür im höchsten Maße unseriös.